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Fachkräftemangel und Auswirkungen auf die Verteidigung

  • Autorenbild: Thorsten Schneider
    Thorsten Schneider
  • 18. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Im Focus 01/25:

Kurz & bündig:

Die europäische Sicherheitslage erfordert ein Umdenken, doch die Bundeswehr und die Rüstungsindustrie kämpfen aktuell mit nennenswerten Personalengpässen. Während die Industrie teils strategisch reagiert, fehlt der Truppe eine klare, durchdachte Personalstrategie – anstatt gezielter Maßnahmen gibt es Imagekampagnen ohne Substanz.


Die Zukunft der europäischen Sicherheit und ihre Auswirkungen auf die Rüstungsindustrie – Herausforderungen und Chancen im Kontext des Fachkräftemangels


Die europäische Sicherheitslage befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Die geopolitischen Spannungen, die technologischen Entwicklungen und der zunehmende Bedarf an modernen Verteidigungsstrukturen stellen aktuell Gesellschaft, Legislative als auch die Rüstungsindustrie vor große Herausforderungen. Insbesondere die Personalfrage – von der Fachkräftegewinnung in der Verteidigungsindustrie bis hin zum anhaltenden Personalmangel in der Bundeswehr (welcher als systemkritischer Faktor nur allzu gerne übersehen wird) – stellt in den kommenden Jahren ein entscheidendes Element für die Ausformung der europäische Sicherheitsarchitektur dar. Während Investitionen in neue Waffensysteme und technologische Innovationen rasant zunehmen, bleibt die Frage offen, wer diese Systeme entwickelt, produziert, bedient oder letztendlich darüber entscheidet.


Herausforderungen: Personalengpässe und ihre Auswirkungen auf Verteidigung und Rüstung


Die sicherheitspolitischen Herausforderungen Europas werden zunehmend komplexer. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, geopolitische Spannungen mit eben Russland und China, eine dramatische Veränderung der transatlantischen Beziehung sowie eine wachsende Bedrohung durch hybride Kriegsführung erfordern ein Umdenken in der Verteidigungspolitik. Doch trotz steigender Verteidigungsbudgets kämpfen sowohl die Bundeswehr als auch die Rüstungsindustrie mit gravierenden Personalengpässen.

Die Bundeswehr verzeichnet seit Jahren einen kontinuierlichen Mangel an Soldaten und Spezialkräften. Der Beruf des Soldaten verliert in der Gesellschaft zunehmend an Attraktivität, während die Anforderungen an moderne Streitkräfte immer weiter steigen. Hochqualifizierte IT-Spezialisten, Drohnenpiloten oder Experten für Cybersecurity sind nicht nur in den Streitkräften gefragt, sondern auch in der zivilen Wirtschaft heiß begehrt. Der Wettbewerb um Talente ist groß, und viele junge Fachkräfte entscheiden sich für lukrative Karrieren in der Technologie- oder Finanzbranche anstatt für eine Laufbahn bei der Bundeswehr.

Auch in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist der Fachkräftemangel spürbar. Unternehmen aus dem Mittelstand wie große Systemhäuser sind auf hochqualifizierte Ingenieure, Softwareentwickler und Produktionsexperten angewiesen, um neue Verteidigungssysteme zu entwickeln. Doch die Rekrutierung von Spezialisten wie Führungskräften wird zunehmend schwieriger. Ein Mangel an ausgebildetem Personal kann die Produktionskapazitäten bremsen und Verzögerungen bei wichtigen Verteidigungsprojekten verursachen. Zudem sind langwierige Sicherheitsüberprüfungen und der hohe bürokratische Aufwand in der Branche oft eine zusätzliche Hürde für Bewerber.

 

Chancen: Neue Strategien für Personalgewinnung und technologische Innovationen


Trotz dieser Herausforderungen bieten sich der Rüstungsindustrie und teilweise auch den Streitkräften erhebliche Chancen, insbesondere durch strategische Neuausrichtungen in der Personalgewinnung, wirtschaftliche Veränderungen in anderen Branchen und technologische Innovationen. Die steigenden Verteidigungsausgaben vieler europäischer Staaten und die verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der NATO und der EU eröffnen neue Möglichkeiten für die Defence-Industrien.

Ein zentraler Lösungsansatz ist die Förderung von Nachwuchskräften und die gezielte Ausbildung von Fachpersonal. Unternehmen und Streitkräfte müssen attraktive Karriereperspektiven bieten, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Kooperationen mit Hochschulen und Fachhochschulen können dazu beitragen, junge Talente frühzeitig für sicherheitsrelevante Berufe zu begeistern. Zudem könnten duale Studiengänge und spezialisierte Weiterbildungsprogramme helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Insbesondere bei der fortgesetzten Haltung einiger Hochschulen, sich eine Kooperation mit der Defence-Industrie zu verweigern, kann insbesondere die Zusammenarbeit mit dualen Hochschulen eine praktikable wie beidseits gewinnbringende Alternative darstellen

Auch der verstärkte Einsatz von Technologie kann dabei helfen, die Personalprobleme zu entschärfen. Künstliche Intelligenz, Automatisierung und autonome Waffensysteme können den Bedarf an Personal in bestimmten Bereichen reduzieren. Beispielsweise könnten unbemannte Kampfsysteme und Drohnen einen Teil der traditionellen Aufgaben übernehmen und so die Einsatzkräfte entlasten. Gleichzeitig entstehen durch diese Innovationen neue Berufsfelder, die wiederum gezielt gefördert werden müssen.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Attraktivität der Arbeitgebermarke. Während die Bundeswehr unserer Wahrnehmung nach verstärkt auf Comic ähnliche Imagekampagnen setzt, ohne wohl zuvor eine Arbeitgebermarke wie notwendige Zielgruppen definiert zu haben, können deutsche Rüstungsunternehmen ihren Ruf als moderne Hightech-Arbeitgeber aufgrund der geopolitischen wie insbesondere auch wirtschaftlichen Situation verbessern. Flexible Arbeitsmodelle, bessere Gehälter und Karriereperspektiven könnten dazu beitragen, Fachkräfte langfristig an die Branche zu binden.


Fazit: Der Mensch bleibt der Schlüssel zur europäischen Sicherheit


Die europäische Sicherheitspolitik der kommenden Jahre wird nicht nur durch geopolitische Entwicklungen oder neue Waffensysteme geprägt sein, sondern gerade auch durch die Fähigkeit, qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten. Die Rüstungsindustrie und die Streitkräfte stehen vor der Herausforderung, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und innovative Wege zur Personalgewinnung zu finden. Und die Rüstungsindustrie hat zumindest in Teilen darauf reagiert.

Bei der Bundeswehr scheint die aktuelle Lage zwar erkannt worden zu sein, jedoch wird die Dimension dieser Herausforderung verkannt oder zumindest nicht priorisiert. Gleichzeitig bieten steigende Investitionen in den Verteidigungssektor neue Chancen, um den Fachkräftemangel durch gezielte Ausbildungsprogramme, Technologieförderung und strategische Partnerschaften zu bekämpfen. Letztendlich wird Europas Fähigkeit zur Selbstverteidigung nicht allein von Maschinen oder Budgets abhängen – sondern vor allem von den Menschen, die hinter diesen Systemen stehen.

 
 
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